Familienaufstellungen als Hilfsmittel zur Reflektion
Ute Fuith
Familienaufstellungen erleben seit geraumer Zeit einen regelrechten Boom. Mit der Methode können Zusammenhänge und Irritationen innerhalb eines Systems aufgezeigt werden. Die Instant-Variante eignet sich aber ausschließlich für psychisch stabile Menschen.
Die Wurzeln der Aufstellungsarbeit sind fast hundert Jahre alt und entstanden im Umfeld von Psychodrama und Rollenspiel. Die Familienaufstellung selbst ist meist in einen psychotherapeutischen Gesamtprozess eingebettet. In den 1960er Jahren hat die US-amerikanische Psychotherapeutin Virginia Satir die Methode in die systemische Familientherapie eingebracht. Bert Hellinger entwickelte die Technik schließlich zu einem eigenen System. Seine Methode polarisiert allerdings bis heute. Die Hauptkritik an Hellinger richtete sich gegen sein konservatives und hierarchisches Weltbild.

Zusammenhänge innerhalb des Systems visualisieren
Inzwischen haben sich viele weitere Methoden der Aufstellung etabliert, die auch außerhalb des psychotherapeutischen Kontextes eingesetzt werden, beispielsweise in Beratung, Supervision oder Coaching von Unternehmen und Teams. So können zum Beispiel Konflikte innerhalb eines Teams oder Konflikte, welche eine Hierarchie betreffen, rasch sichtbar gemacht werden. Für eine Aufstellung werden die Teilnehmenden einzeln positioniert und miteinander in Beziehung gesetzt. Dadurch können Zusammenhänge innerhalb des Systems visualisiert und wiederkehrende Muster und Beziehungskonstellationen transparent gemacht werden. Dies geschieht u.a. durch Perspektivenwechsel und über die Art und Weise, wie die Beteiligten räumlich und in Beziehung zu den anderen Mitgliedern positioniert sind. Die Beziehung zwischen den einzelnen Beteiligten erhält besondere Aufmerksamkeit.

„Bei einer Aufstellung nehmen bei mir üblicherweise ungefähr zehn bis 15 Menschen teil, darunter die Aufstellungsleiter*in, die Repräsentant*innen und jene Person, die ein Thema beleuchten möchte“, erklärt Ursula Sova. Die Lebensberaterin kennt die Methode der Familienaufstellung schon seit 25 Jahren und arbeitet inzwischen selbst als Aufstellerin. „Meistens kennen sich die Leute untereinander nicht – das ist aber keine Voraussetzung.“ Vor kurzem wandte sich eine junge Frau an Sova, die an chronischen Schmerzen litt und den Wunsch hatte, wieder Freude am Leben zu empfinden. Bei der Aufstellung wurden dann erst die Repräsentant*innen ausgewählt, die für die Familienmitglieder stehen. Danach stellt sich die Betroffene hinter die Repräsentant*innen und legt ihnen die Hände auf die Schultern und „stellt sie auf“, in dem sie ihnen einen Platz im Raum zuweist. Die Repräsentant*innen werden dann von der Aufstellungsleitung befragt, wie ihr Körper sich anfühlt und welche Gefühle in ihnen ausgelöst werden. Diese Gefühle und Assoziationen werden im weiteren Verlauf bearbeitet.

Keine Krisenintervention: „Wir gehen Schritte in Richtung Lösung."
„Sehr häufig geht es bei Aufstellungen in Österreich um Großeltern, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben. Die Schuld der Vorfahren wird oft von den Enkeln übernommen. Diese Verstrickungen können in einer Familienaufstellung aufgelöst werden“, erklärt Sova. Selbst skeptische Menschen würden dabei etwas spüren. „Es kommt auch vor, dass sich völlig Fremde in den Armen liegen und weinen“, erzählt Ursula Sova. Bei akuten, psychischen Problemen sei eine Familienaufstellung aber nicht empfehlenswert. „Ich kläre das immer im Vorfeld ab. Eine Aufstellung ist nämlich keine geeignete Krisenintervention. In einer Aufstellung gehen wir Schritte in Richtung Lösung“, sagt Sova.
Die Körper- und Traumatherapeutin Bianca Sigl sieht das ähnlich. Sie entdeckte die Methode der Familienaufstellung vor zwölf Jahren, als sie in einer Art Provisorium lebte und sich entwurzelt fühlte. „Ich war auf der Suche nach meinem Platz in der Welt. Bei einer Aufstellung fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich wiederhole die Geschichte meiner Großmutter – und zwar in Facetten, die mir davor gar nicht bewusst waren“, erinnert sich die 55-Jährige. Mittlerweile hat Sigl eine umfangreiche Therapieausbildung gemacht. Ihre Schwerpunkte sind Körper- und Traumatherapie, Meditation und TCM. „Verletzungen, Trauma oder auch Gefühle wie Schuld und Scham werden oft über Generationen weitergegeben“, ist Sigl überzeugt, die ein paar Mal pro Jahr selbst als Aufstellerin arbeitet.

Aufsteller*in muss ausreichend Erfahrung haben
Bernd Pfeiffenberger hat im Rahmen seiner Ausbildung an mehreren Aufstellungen als Repräsentant teilgenommen. „Es können bei der Aufstellung Gefühle ausgelöst werden, die meist nur mit der Rolle zu tun haben, die man innerhalb der Aufstellung hat", sagt der angehende Psychotherapeut. „Aufstellen lässt sich jedes Thema, egal ob beruflich oder privat. Man braucht dafür in der psychotherapeutischen Praxis aber nicht unbedingt lebende Menschen. Oft reicht auch ein sogenanntes Stellbrett mit verschiedenen Figuren oder Playmobil-Figuren. Durch das Aufstellen der Figuren und auch durch den Austausch über Wahrnehmungen der aufgestellten Personen untereinander können wertvolle Erkenntnisse für die Klient*in gewonnen werden", meint Pfeiffenberger.
Wichtig bei der Wahl der Aufsteller*in sei, dass er oder sie über Erfahrung oder gegebenenfalls eine Zusatzausbildung verfügt. Abgrenzung zu eigenen Themen, Empathie und eine professionelle, fundierte Ausbildung seien Grundpfeiler für eine „gute“ Aufstellung. Darauf solle auch bei der Wahl einer Aufsteller*in geachtet werden. „Die derzeit umfassendste und längste Ausbildung, um diese Voraussetzungen zu erfüllen, ist in Österreich die psychotherapeutische Ausbildung“, sagt Pfeiffenberger.

Reflexion über sich selbst und seine Beziehungen
Viele Menschen nutzen Aufstellungen ohne jeglichen Leidensdruck, ausschließlich zur Reflexion über sich selbst oder ihre Beziehungen. So auch Sybille Exel-Rauth. Für die Grafikerin sind Aufstellungen „ein Tool, um mir Klarheit zu verschaffen. So habe ich einmal die Struktur meiner Familie beleuchtet. Das hat mir geholfen, die unterschiedlichen Perspektiven in einem milderen Licht zu sehen“, sagt die Grafikerin. Bei einer anderen Aufstellung war sie nur als Repräsentantin dabei: „Ein Mann thematisierte seine nahe Pensionierung, die ihn sehr belastete, weil er als Karrieremensch sehr an seinem Beruf hing. Ihm gelang durch die Aufstellung ein Perspektivenwechsel – weg vom Abschied, hin zum Neuanfang“, erinnert sich Exel-Rauth.
Das Erstaunliche bei den Aufstellungen war für sie, „dass ich tatsächlich Empfindungen von anderen Menschen wahrnehmen konnte, die mir eigentlich fremd waren." Bei der Wahl der Aufsteller*in rät die Niederösterreicherin dazu, sich „Menschen mit Erfahrung auszusuchen, denen man vertrauen kann“.
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